Ein Artikel aus der Westwärts-Ausgabe 2, Juli/August 1995.
Jugendliche im Stadtteil: ein brisantes Thema, das angesichts unzureichender Angebote und der Finanzlage der Stadt regelmäßig Stoff für hitzige Diskussionen, für Frust und Resignation bietet. Wir haben zwei junge engagierte Stadtteilbewohner gebeten, die Situation aus ihrer Sicht zu schildern. Hier ein Stimmungsbericht und ein konkretes Angebot.
Überall in Kassel fehlen Räume für Jugendliche – Räume zum Spielen, Räume, in denen man billig und sinnvoll seine Zeit verbringen kann. Im Vorderen Westen ist es nicht besser als anderswo – mit dem Unterschied, dass Jugendliche aus ganz Kassel sich in diesem Stadtteil treffen, sei es in der Goetheanlage, wo sich einer der wenigen Basketballplätze in Kassel befindet, sei es am Bebelplatz, vor dem Café Libre oder in einigen der hier vorhandenen Kneipen und Cafés.
Anschaulich wird das Problem von Kassels Jugend, wenn sich ein- oder zweihundert Jugendliche vor der Stadthalle versammeln, für deren Modernisierung gerade 58 Millionen DM ausgegeben werden. Ihnen bleibt nur die Straße oder einmal in der Woche ein Abend in den ansonsten vom Mütterzentrum genutzten Räumen des Café Libre. Alles klar?!
Die Jungsozialisten haben sich nach ihrer Kampagne gegen den Ausbau der Stadthalle und gegen die Sparmaßnahmen im Jugendhaushalt der Stadt einmal unter Jugendlichen umgehört.
Niemand kümmert sich um Jungendräume, weil es eine negative Wahrnehmung von Jugendlichen gebe, die auf der Straße „abhängen“, meinen Sophie, Anna und Lena: „Ja, es gibt öfter mal Knatsch, das sieht man ja. Überall, wo Angebote fehlen, gibt es diesen Knatsch, weil keiner uns eine Chance gibt.“ Und was denken Thomas und Kai von den Parteien? Machen die genug für die Jugendlichen in Kassel? „Gar nichts“, so Thomas. Und Kai: „Irgendwas müssten sie doch machen, aber sie machen nichts!“
Gefragt, ob das Geld der Stadt Kassel auch an die richtigen Stellen fließt, antworten Sophie, Anna und Lena: „Nee, auf gar keinen Fall. Wenn man hört, dass das Theater ganz viele Leute entlassen muss, das geht halt echt in die falsche Richtung.“ – „Tiefgaragenbau und die ganzen Sachen… ja toll, da haben wir viel davon!“ – „Nur damit viele Autos in die Stadt kommen: das ist indiskutabel.“ „Ja, und der Königsplatz ist ja auch das beste Beispiel.“
Auch Peter aus Wilhelmshöhe scheint auf die Politiker nicht viel Hoffnung zu setzen: „Bauen Straßen und sind glücklich darüber – aber Jugendzentren werden anscheinend nicht gebraucht.“
Oliver Schultz